Färben mit Naturfarben
 von Angharad Beyer und Andreas Sturm

Vorwort

Färber im Handbuch der Mendelschen Zwölfbrüderstifung, Nürnberg, 15. Jh.

Das Färben mit Naturfarbstoffen hat in der mittelalterlichen Textilproduktion immer eine herausragende Rolle gespielt. Leider ging vieles vom Wissen der Färbe-Meister mit der Einführung der synthetischen Farbstoffe im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verloren.

So ist es nur natürlich, dass im Rahmen der experimentellen Archäologie auch die Herstellung von farbigen Textilien Gegenstand der Forschung wurde. Im Bereich der Living History zählt das Färben zu den aufwendigeren und damit seltenen Demonstrationen vergangenen Handwerks.

Bei der Durchsicht der einschlägigen Literatur fiel uns aber auf, dass sich das Färben meist auf kleine Mengen von Wolle als Flocke oder Strang beschränkt hat. Das Museumsdorf Düppel z.B. hat Versuche zum Färben im bäuerlichen Haushalt angestellt.

Wenig dagegen ist über das Färben von ganzen Tüchern publiziert worden, wobei diese letzte Methode gerade für das Handwerk im Hoch- und Spätmittelalter große Bedeutung hat. Englische Tuche z.B. kamen ungefärbt in den Handel und wurden erst im Ausland veredelt.

Die Gründe für diese Lücke in der Literatur sind sicher im hohen Material-Aufwand für Stückfärbungen zu suchen. In Nürnberg z.B. wurden im 14. und 15. Jahrhundert Tuche mit Längen von 32 bis 40 Ellen verhandelt, also 21 bis 26 m! Solche Stoffe erfordern große Kessel und Bottiche, sowie enorme Mengen an teuren Naturfarbstoffen. Der Aufwand für eine Stückfärbung nach mittelalterlicher Art ist also enorm.

Im Bereich der Living History ist das Färben von ganzen Tüchern natürlich von doppeltem Interesse, verbessern doch zum einen pflanzengefärbte Stoffe die Annährung an die historische Wirklichkeit um einen weiteren Schritt. Vielleicht noch wichtiger ist aber die Möglichkeit, den aufwändigen und schwierigen Färbeprozeß zu demonstrieren und so den Wert von farbigen Textilien anschaulich werden zu lassen.

Die wenigen, heute tätigen Berufsfärber, die mit Pflanzenfarben arbeiten, mußten ihr Handwerk neu erarbeiten und haben aus verständlichen Gründen nur wenig Interesse, ihre Kenntnisse im Detail zu veröffentlichen. Da aber der Kern der Living History auf den eigenen Erfahrungen mit der entsprechenden Materie beruht, haben wir uns entschlossen, pflanzengefärbte Stoffe nicht bei Dritten einzukaufen, sondern eigene Versuche mit der Stückfärbung anzustellen - selbst auf die Gefahr hin, damit in manchem das Rad neu zu erfinden...

zum Inhalt weiter

   © 2004 Historische Interpretationen Sybille A. Beyer & Andreas Sturm GbR

 Home
   Publikationen
     Experimente
       Naturfarben
         Vorwort