Rheinische Keramik im Hoch- und Spätmittelalter
3. Von der Irdenware zum Steinzeug: Terminologie der WarenartenBevor wir uns mit den mannigfachen Typen der rheinischen Töpferei-Erzeugnisse näher beschäftigen, ist es unabdingbar, einen Blick auf die verschiedenen Arten von mittelalterlicher Keramik und ihre grundlegenden Unterscheidungsmerkmale zu werfen. Die beiden wichtigsten Warengruppen des frühen und hohen Hochmittelalters sind Grauwaren und die gelbe Irdenware. Grauware ist dabei ein nur vager Sammelbegriff für einfache, lokal produzierte Gebrauchskeramik, die nicht über größere Entfernungen verhandelt wurde. Dementsprechend ist es eine sehr heterogene Gruppe, deren lokale Spielarten sich stark unterscheiden können. Im Wesentlichen sind es Scherben aus einem Ton mit grober bis feiner Magerung, der durch unterschiedliche Verfahren weich bis sehr hart gebrannt wurde. Die Farbe der Scherbenoberfläche schwankt zwischen hell-beige bis braun und rötlich, doch gerade die jüngeren Grauwaren zeigen häufig eine sehr einheitliche graue Färbung (Lüdtke 2001, 87). Für fast alle Fundorte des nordeuropäischen Raumes gilt, dass innerhalb des Keramikspektrums die Grauware zahlenmäßig bei weitem den größten Anteil gegenüber anderen Waren ausmacht. Die Diagramme Abb. 1 und 2 sollen dies am Beispiel von Schleswig demonstrieren. Hier zeigt sich von vom 11. bis zum 14. Jh. nicht nur eine deutliche Zunahme der Grauwaren, sondern auch eine Abnahme in der Vielfalt der übrigen Warenarten. Dieses Bild kann auch auf andere Fundorte übertragen werden, mögen auch die absoluten Zahlen dabei variieren. Die Betrachtung der vorherrschenden Gefäßformen und -größen führt zu der Vermutung, dass die Grauware des hohen und späten Mittelalters gewöhnlich der Vorratshaltung und der Zubereitung von Speisen in der Küche diente. Da der Scherben von niedrig gebrannter Grauware aber sehr porös ist, setzt er leicht Schimmel an - ein Problem, das so mancher Re-enactor nur allzu gut aus eigener Anschauung kennt. Dieser Umstand hat sicherlich dazu beigetragen, dass die mittelalterlichen Töpfer Ende des 12. Jahrhunderts versuchten, Waren mit dichterem Scherben herzustellen. Diese Versuche führten schließlich zur Entwicklung des Steinzeugs, wie wir später noch sehen werden. Gelbe Irdenware ist ein irreführender Begriff, der eigentlich nur einen Teil der damit benannten Warengruppe korrekt beschreibt. Tatsächlich handelt es sich um eine Warenart, die am besten als "früh- und hochmittelalterliche, exportorientierte, unglasierte Fein-Keramik" beschrieben werden könnte. Der Scherben ist oft gelblich-weiß und nicht oder nur wenig gesintert. Es kommt jedoch auch Irdenware mit grauer Farbe oder stärker gesintertem Scherben vor (Sanke 271). Der berühmteste Vertreter dieser Warenart ist die Pingsdorfer Keramik. Mit dem Ende des 12. Jahrhunderts treten weitere Keramiktypen neben die gelbe Irdenware und verdrängen sie schließlich. Die Benennung dieser neuen Keramikarten ist in der Literatur leider häufig uneinheitlich. Zwar hat es immer wieder Versuche gegeben, die Benennung zu vereinheitlichen, was aber häufig am (Un-) Verständnis der physikalischen und chemischen Eigenschaften einer Warengruppe gescheitert ist. Dies führte in der Vergangenheit nicht nur zu einer gewissen Verwirrung, sondern wirkte sich oftmals auch negativ auf die Datierung der Keramik aus. Eine in England und den Benelux-Staaten allgemein akzeptierte Definition der Warenarten wurde von H.L. Janssen 1983 vorgeschlagen, basierend auf den Übereinkünften einer Konferenz in Hull, England von 1980: Proto-Stoneware (Protosteinzeug) zeigt nur eine partielle Sinterung, die sich vor allem auf die Oberfläche beschränkt. Die Magerung ist grob und die Porosität der Ware hoch. Near-Stoneware besteht aus einem nahezu vollständig gesinterten Scherben und ist nur gering porös. Im Gegensatz zum echten Steinzeug zeigt der Scherben eine deutliche, grobe Magerung. Real-Stoneware (echtes Steinzeug) ist ein vollständig gesinterter Scherben mit extrem geringer Porosität. Der verwendete Ton war scheibenfertig und wurde nicht gemagert. Weiter ist in Deutschland der Begriff "Faststeinzeug" sehr verbreitet. Er mutet zunächst wie die deutsche Übersetzung von "Near-Stoneware" an. Tatsächlich beschreibt er aber teilgesinterte Waren von der Art der "Proto-Stoneware" (Heege 21)! Im Umgang mit archäologischer Literatur ist deshalb immer eine gewisse Vorsicht geboten. Möchte man Keramiken aus verschiedenen Publikationen vergleichen, ist die Beschreibung ihrer Härte, Sinterungsgrad und anderer physikalischer Eigenschaften gewöhnlich ein zuverlässigeres Mittel als der Name der Ware allein.
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